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Gedankenlesen: Die Kunst des Hellsehens
Entgegen jeder Skepsis ist die Tradition des Hellsehens in den modernen und schnelllebigen Kulturen von Ost und West immer erhalten geblieben. Schon in der antiken Literatur beriefen sich die Götter, dort wo guter Rat fehlte, auf Wahrsager. So erzählt uns Ovid, dass Hera und Zeus – die Obersten des Olymp – den Seher Teiresias befragten, um von ihm Antworten über die Liebe zu erhalten.
Nach diesem Vorbild berufen wir uns auch heute noch auf die Kunst des Wahrsagens: Astrologie, Hand- oder Kartenlesen sind nur einige Beispiele des breit gefächerten Feldes von Zukunfts- und Schicksalsdeutung. Trotz der offensichtlichen Langlebigkeit dieser Kunst sieht sie sich immer wieder mit Zweifeln konfrontiert, die nicht zuletzt in ihrem Konflikt mit den Wissenschaften gründen.
Ein zentraler Zweifel betrifft die Möglichkeit des Gedankenlesens, mit der sich in jüngster Zeit insbesondere die Neurowissenschaften, darunter die Hirnforschung, auseinandersetzen. Die bisher unzureichend beantwortete Frage lautet: Ist es möglich, die unausgesprochenen Gedanken eines Gegenübers zu erkennen, zu lesen und vorherzusagen?
Die geteilten Meinungen über mögliche Antworten deuten darauf hin, dass es nach wie vor wissenschaftlich unergründete Momente im Feld des Wahrsagens gibt. Nicht zu bezweifeln ist, dass es bestimmte Möglichkeiten gibt, Emotionen und Affekte des Gegenübers zu deuten, insofern er sie in Mimik, Gestik oder Rhetorik unbewusst zum Ausdruck bringt.
Ein Beispiel dafür lässt sich leicht geben: Nur wenige Tage vor ihrer Hochzeit sucht eine junge Frau die Hilfe eines Wahrsagers, weil plötzliche Zweifel sie plagen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wippt sie im Gespräch nicht nur fortdauernd mit den Knien, sondern erzählt bloß distanziert von ihren Sorgen. Der geübte Wahrsager erkennt ihre unbewusst bleibenden Zweifel und liest derart das von ihr Ungesagte.
Helfen kann er, indem er diese Sorgen vom Unbewussten ins Bewusstsein verschiebt. Seine tatkräftige Unterstützung kann etwa darin bestehen, die erkannten Gefühle – einem Psychologen nicht unähnlich – auszusprechen und zu erklären. Anders verhält sich bei konkreten Fragen über individuelle Gedanken, so beispielsweise: „Woran denke ich gerade?“
Man unterscheidet hier zwischen Mentalmagie und Telepathie. Erstere findet sich auf Jahrmärkten, wo Mentalisten die bloße Illusion des Gedankenlesens zur Schau stellen. Ganz anders definiert sich die Telepathie, als Teilgebiet der Parapsychologie, die dicht an die Wissenschaften schließt. Sie zählt nicht dazu, weil sie sich mit Wahrnehmungen jenseits eng definierter Grenzen beschäftigt.
Obwohl wiederholt versucht wurde, insbesondere elektronische und magnetische Übertragungen zwischen zwei Personen für gelungene Experimente des Gedankenlesens verantwortlich zu machen, gibt es keine eindeutigen Beweise dafür; wohl aber dafür, dass es ein solches Gelingen gibt! Die jüngsten, parapsychologischen Erkenntnisse, etwa von Charles Tart, zeugen von erfolgreichen Fällen des Gedankenlesens, geben jedoch auch zu, keine Erklärungen für diese Phänomene bieten zu können.
Wie noch vor Jahrhunderten ist das Gedankenlesen ein – existentes – Mysterium. Fest steht heute, dass noch längst nicht alle Geheimnisse des menschlichen Gehirns und des Phänomens Schicksal erklärt werden können; hier stößt die Wissenschaft tagtäglich an ihre Grenzen.
Tagtäglich tun wir es deshalb Hera und Zeus gleich, wenn wir uns mit den Fragen, die unser persönliches Leben und Schicksal betreffen, an die Wahrsage-Kunst wenden. Bei ihr können wir auf die Geheimnisse hoffen, die das Unterbewusste vor uns verborgen hält – genau dort, wo einfache Erklärungen nicht mehr möglich, Antworten aber um so nötiger sind.